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Philharmoniker Depot

08.09.15 Gebert-Indikator vor der Bewährungsprobe

Der Gebert-Börsenindikator liefert kontinuierlich gute Ergebnisse. Die heftigen Abwärtsbewegungen der Jahre 1998, 2001, 2002, 2008 und 2011 wurden mit rechtzeitigen Verkaufssignalen vermieden. Bis auf einen kleineren Rückschlag zu Beginn des Jahres 2002 und einem zu frühen Ausstieg im Mai 2006 erfasst der Indikator die Bewegungen an den Börsen nahezu mustergültig. Der Indikator schlägt den DAX um Längen. Und dies nicht nur seit Beginn der „Live-Phase“ im Jahr 1996, sondern auch im Backtesting bis zurück in die 1960er Jahre.

Jetzt scheint jedoch ein Lackmustest bevorzustehen. Beginnend in China (Juni) und sich fortsetzend in den USA und Europa (August) brachen die Märkte ein, obwohl zuvor weder die Inflationsraten noch die Zinsen stiegen. Der DAX verlor in der Spitze 22 Prozent, der Dow Jones Index 16 Prozent und der S&P 500 13 Prozent.

Der Gebert-Indikator bleibt seit dem 7. November 2011 voll in die DAX investiert und hat in naher Zukunft auch nicht vor, dies zu ändern. Was ist da los? Es stellt sich die Frage, warum Inflationsrate und Zinsen dieses Mal keinen Warnschuss abgegeben haben.

Der Gebert-Indikator setzt sich aus vier Subkomponenten zusammen. Fallende EZB-Leitzinsen, fallende Inflationsraten und ein fallender Euro/Dollar wirken positiv. Ein Jahreszeit-Punkt kommt für den Zeitraum von November bis April – üblicherweise eine starke Börsenphase – hinzu. Maximal kann der Indikator vier Punkte sammeln, minimal null. Aktuell befindet er sich bei drei Punkten.

Der Gebert-Indikator dürfte aufgrund seiner Konstruktion in den kommenden Monaten – bis mindestens April 2016 - freie Fahrt für den DAX anzeigen. Denn die EZB dürfte in den kommenden Monaten kaum mit einer Zinserhöhung aufwarten. Der Zinspunkt bleibt damit für längere Zeit bestehen. In acht Wochen kommt der Jahreszeitenpunkt hinzu. Mindestens zwei Punkte sind bis zum April 2016 sicher. Das reicht, um den Indikator auf einem Kaufsignal zu belassen.

Da Dr. Thomas Gebert die Zusammensetzung seines Indikators dankeswerterweise auf seiner Website http://www.gebert-börsenindikator.de/ veröffentlicht, besteht die Möglichkeit, die Grundkonstruktion auch auf die USA und Japan anzuwenden. Mit dem obigen Chart haben wir zunächst den eigentlichen Gebert-Indikator nachvollzogen, um eine Grundlage für unsere Tests zu erhalten. Der dargestellte Wellenreiter-„Gebert-Indikator“ entspricht nicht im Detail, aber doch im Wesentlichen dem Original.

Ein Test einer von uns vorgenommenen US-Konstruktion (US-Leitzinsbewegungen, US-Inflationsrate, Euro/Dollar) zeigt gemischte Ergebnisse. Einerseits hätte der Indikator die Marktteilnehmer aus dem Unbill der Jahre 1987, 1998, 2007/08 und 2011 herausgehalten. Andererseits wäre die Phase von Anfang 2001 bis Ende März 2003 nicht vermieden worden. Und die Aufwärtsbewegung von 2003 bis 2007 wäre lediglich marginal erfasst worden.

Die beiden genannten Negativpunkte schimmern auch im auf den DAX bezogenen Original durch. Allerdings geschieht dies glücklicherweise in einer zeitlich eingeschränkten Form. (2002 und 2006/07). Seit dem Tief im Jahr 2009 läuft nicht nur der Original-Indikator, sondern auch der US-Indikator positiv.

Der eine oder andere meint, in der US-Konstruktion anstelle des Euro/Dollar den US-Dollar-Index verwenden zu müssen. Das funktioniert nicht. Ein fallender Euro/Dollar unterstützt in der Regel nicht nur die europäischen-, sondern auch die US-Aktienmärkte.

Wir wollen herausfinden, ob ein deflationäres Umfeld den Gebert-Indikator irritiert. Dazu wenden wir die Konstruktion des Indikators auf Japan an (japanische Leitzinsbewegungen, japanische Inflationsrate, Dollar/Yen). Für den Zeitraum von 1985 bis 2000 erhalten wir das folgende Bild.

Positiv ist, dass der japanische „Gebert-Indikator“ den Investor aus dem Nikkei-Crash des Jahres 1990 herausgehalten hätte. Allerdings wäre der Investor Ende 1991 erneut eingestiegen und wäre praktisch bis zum Jahr 2003 investiert geblieben. Er hätte den Ritt von 25.000 auf 8.000 Punkte mitgemacht.

Wenn ein Aktienmarkt trotz andauernder Leitzinssenkungen und fallender Inflationsraten nicht steigt, sondern weiter abrutscht, kommt jeder Indikator an seine Grenzen, der fallende Inflationsraten und Leitzinssenkungen positiv für die Aktienmärkte wertet. Im Rahmen inflationärer Phasen (wie im Japan der 1980er Jahre) und auch in der seit 2012 laufenden reflationären Phase funktionieren solche Indikatoren hingegen gut.

Daraus ergibt sich die Erkenntnis, dass die Zuverlässigkeit der Grundkonstruktion des Gebert-Indikators wahrscheinlich leiden würde, sollte sich ein deflationärer Markt a la Japan auch in Europa oder den USA mittel- und langfristig etablieren.

Der Blick in das deflationsgeprägte Amerika der 1920/30er Jahre erscheint hilfreich. Damals gedieh der Aktienmarkt der „Roaring Twenties“ in einem Umfeld fallender bis stagnierender Rohstoffpreise. Entsprechend stagnierte die US-Inflationsrate (folgender Chart).

Die aktuelle Phase ähnelt derjenigen der 1920er Jahre. Es wäre schön zu wissen, wie die Konstruktion eines Gebert-Indikators in den 1920er und 1930 Jahren funktioniert hätte.

Wir können jedoch mit einer plausiblen Wahrscheinlichkeit aufwarten. So stiegen im Sommer vor dem Crash von 1929 Zinsen und Inflationsrate. Dies dürfte - in Kombination mit der saisonal schwierigen Sommerphase - ausgereicht haben, rechtzeitig vor dem Crash ein Gebert-Verkaufssignal für die Marktteilnehmer zu generieren. Allerdings vermuten wir genauso, dass in den Jahren 1930 und 1931 verfrühte Kaufsignale aufgetreten wären.

Fazit: Eine Konstruktion wie der Gebert-Indikator warnt recht zuverlässig vor einem Börsencrash. Die Aussage von Thomas Gebert („Vor allen schweren Kurseinbrüchen der letzten 50 Jahre stiegen Inflationsrate und Zinsen.“) können wir nur unterstreichen. Allerdings: Ein längerfristig deflationäres Umfeld wie im Japan der 1990er Jahre oder in den USA der 1930er Jahre würde den Indikator mutmaßlich auf eine harte Probe stellen. In einem solchen Umfeld würden die Aktienmärkte nicht crashen, aber lustlos und mit einer Seitwärts-/Abwärtstendenz dahindümpeln.

Aufgrund der längerfristigen Ausbruchsituationen im DAX (oberhalb 8.000 Punkte) und im S&P 500 (oberhalb 1.550 Punkte) sieht es zumindest danach aus, dass sich eine solche Phase nicht – wie im Nikkei-Index - jahrelang hinziehen würde und der längerfristige Ausbruch grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden würde. Die Märkte sollten allerdings Zeit benötigen, um eine Phase der Bodenbildung abzuschließen.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

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Quelle: Wellenreiter-invest.de

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