Der „Turnaround Tuesday“ („Wende-Dienstag“) ist ein geflügeltes Wort an der Wall Street. Er beschreibt den Übergang von einem Abverkauf an Freitagen/Montagen zu steigenden Kursen ab Dienstag. Starke Hände greifen dann am Dienstag zu. So war es beispielsweise während des Crashes von 1987.
Der Markt beginnt am Mittwoch oder Donnerstag zu wackeln. Die Händler sehen das und wollen über das Wochenende nicht long sein, also verkaufen sie am Freitag. Die Medien nehmen diese Bewegung über das Wochenende auf, Investoren lesen die schlechten Nachrichten und verkaufen am Montag mit Handelsbeginn weiter. So setzt sich die Abwärtsspirale fort, bis am Dienstag erste Käufer in den Markt kommen, die für eine Wende sorgen. So entsteht der Turnaround-Tuesday.
Für die Analyse der Wende-Dienstage muss eine Definition her. Unsere Bedingungen lauten: Der Dienstag muss auf der Plusseite enden. Der Freitag und Montag davor schließen jeweils im Minus. Das addierte Freitag-/Montag-Minus muss mindestens 0,9 Prozent betragen. 0,9 Prozent deshalb, weil wir in Tests festgestellt haben, dass damit einige wichtige Wendepunkte abgegriffen werden. Eine Marke von 1,0 Prozent hätte dies nicht mehr sichergestellt. Auf der anderen Seite würde man den Turnaround Tuesday auf wenige Crashes beschränken, wenn man ein Minus von 5 Prozent oder mehr einfordern würde. Als Referenz dient wegen der langen Zeitreihe der Dow Jones Index.
Seit 1960 zählen wir 247 solcher Tage, das sind 4,4 Ereignisse pro Jahr im Durchschnitt. Die meisten notierten wir in den 1980er Jahren, die wenigsten in der laufenden Dekade. 15 Wende-Dienstage seit 2010 entsprechen 2,5 Ereignissen pro Jahr. Lassen Sie uns Auftreten und Aussagekraft eines Turnaround Tuesday am Beispiel des Jahres 1987 erläutern.
In den ersten vier Monaten war das Jahr 1987 von einem Aufwärtstrend geprägt, dem eine Seitwärtsphase bis in den Mai hinein folgte. Anschließend bewegte sich der Markt steil nach oben, um Ende August sein Hoch zu markieren. Danach entwickelte sich die Crash-Situation.
Ein erster Wende-Dienstag offenbarte sich am 24. Februar. Dieser hielt, was er versprach, denn die Märkte stiegen in der Folge weiter. Gleiches gilt für den 31. März und den 28. April. Der Turnaround Tuesday des 12. Mai brachte eine Fehlzündung, die Anschlusskäufe blieben diesmal aus. Die Märkte fielen die nächsten 6 Handelstage, um dort ein wichtiges Tief zu bilden. Anschließend begann der letzte, aber stärkste Höhenflug des Jahres 1987.
Dem Jahreshoch vom 25. August folgte ein erster, vierwöchiger Fall, der durch den Wende-Dienstag vom 22. September gestoppt wurde. Der folgende Bounce schaffte nur noch eine niedrigeres Hoch. Anfang Oktober begannen die Aktienmärkte zu wackeln. Der Dow Jones Index geriet in einen Abwärtsstrudel, der mit dem Turnaround Tuesday vom 13. Oktober beendet schien. Doch Pustekuchen, am Folgetag drehte der Markt gleich wieder nach unten und verlor knapp 4 Prozent (siehe Pfeil obiger Chart). Die intensive und eigentliche Crash-Phase wurden von einem Turnaround-Tuesday-Fehlsignal eingeleitet.
Am „schwarzen“ Montag, den 19. Oktober kam es zu einem Crescendo, dem am 20. Oktober einer der berühmtesten Wende-Dienstage überhaupt folgte. Als das ist auf dem obigen Chart nachvollziehbar.
Viele bedeutende Tiefpunkte sind untrennbar mit einem Turnaround-Tuesday verbunden. Wir nennen das Brexit-Votum-Tief, das Crash-Tief des Jahres 2011, das Rezessionstief vom März 2009, das Oktober-Tief 2002, das Russland-Krisen-Tief von 1998, das Crash-Tief von 1987 oder auch das Tief von 1974.
Eine weitere Beobachtung ist die, dass ein Turnaround-Tuesday gern im Zeitraum von etwa 10 bis 14 Tagen nach einem wichtigen Hochpunkt auftritt. Es ist, als ob die Marktteilnehmer sich sagen, hier ist eine Kaufgelegenheit, das ist jetzt das Tief. Ist es aber nicht, denn nach einer kurzen, maximal zwei bis dreitätigen Erholung fallen die Aktienmärkte weiter.
Versuche, den Boden zu erwischen, werden ebenfalls gern an Dienstagen durchgeführt. Häufig genug greifen die Marktteilnehmer nach längeren Abwärtstrends an Dienstagen hinein. Der Markt fällt jedoch nochmals eine Stufe, bevor der nächste Dienstag tatsächlich den Turnaround bringt.
Man sollte diese Analyse nicht so verstehen, dass untere Wendepunkte überhaupt nur an Dienstagen auftreten. Dafür ist die Zahl der Wende-Dienstage viel zu gering. Dennoch lässt sich die Aussage treffen, dass eine überdurchschnittlich hohe Zahl wichtiger Wendepunkte von einem Turnaround-Tuesday begleitet wird.
In diesem Jahr zählten wir bisher vier Wende-Dienstage. Namentlich sind dies der 5. Januar, 1. März, 28. Juni und der 27. September.
Der Turnaround-Tuesday vom 5. Januar war ein typischer Griff ins fallende Messer. Nach drei Tagen Abverkauf kamen die Bullen deshalb zu früh, weil erstens keine Kapitulation vor lag (es fehlte ein 90%-Abwärtsvolumentag) und zweiten die Angst nicht groß genug war (die Put-Call-Ratio lag bei 1,0). Die nächsten Wendetage - 1. März und 28. Juni (der Dienstag nach dem Brexit-Votum) - ließen keine Wünsche offen.
Der jüngste Wende-Dienstag fand am 27. September 2016 statt. Die Geschichte dieses Tages ist noch nicht geschrieben. Zu einer Kapitulation mit einem hohen Abwärtsvolumen kam es zwei Wochen vorher, die Put-Call-Ratio war mit 1,15 am Tag vor dem Wende-Dienstag ausreichend hoch. Ein erster Anschlusskauftag (Mittwoch) war in Ordnung, der zweite folgende Handelstag (Donnerstag) jedoch nicht.
Die Wirkung des aktuellen Turnaround-Tuesday gälte es dann zu hinterfragen, wenn das Tief vom Montag, den 26. September (18.094 Punkte im Dow Jones Index) nicht halten würde. Der jüngste Turnaround-Tuesday hätte in diesem Fall ein Fehlsignal geliefert. Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Analyse ist das Signal jedoch in Ordnung.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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Quelle: Wellenreiter-invest.de