Am 10. Juni werden die Schweizer in einer Volksinitiative basisdemokratisch darüber abstimmen, ob sie ihr Geldsystem erstmals in der Geschichte grundlegend revolutionieren wollen. Das seit Jahrhunderten unrechtmäßig herrschende Kreditgeldsystem soll durch ein rechtskonformes Vollgeldsystem abgelöst werden. Diese Initiative hat eindeutig den revolutionär freiheitlichen Geist von 1776, die Macht von Tyrannen zu stürzen und für Freiheit und Gerechtigkeit zu sorgen.
Deshalb ist es besonders enttäuschend, dass sich gerade die bekanntesten Verfechter des Libertarismus bzw. der Österreichischen Schule im deutschsprachigen Raum über diese Initiative entweder bewusst klitternd oder unbewusst irrig ablehnend und gar mokierend äußern. Ersteren sei dieser Artikel ein freiheitlicher Gegenschlag und letzteren eine fachliche Wissenserweiterung.
Was will die Vollgeldinitiative?
Täglich fällige Kundeneinlagen sollen zu 100 Prozent mit Zentralbankgeld (Vollgeld) gedeckt werden. Bankenkrisen und „Bank Runs“ würden so der Vergangenheit angehören. Das Geld der Menschen auf ihren Konten wäre sicher, da die Geldhäuser nicht mehr mit einer „Teilreserve“ operieren dürften. In den letzten einhundert Jahren wurden zunehmend Steuerzahler durch korrupte Politiker dazu verpflichtet, die Verluste aus dem kriminellen Teilreservesystem zu tragen, was enormen volkswirtschaftlichen Schaden anrichtete.
Was sagen die Kritiker des Vollgeldes?
Thorsten Polleit vergleicht die Forderung der Vollgeldinitiative in einem Artikel vom 6. Juni auf wiwo.de impertinent mit den Forderungen von Sozialisten. „Sie [die Vollgeldidee] reicht zurück auf sozialistische Denker (…) Ihnen zufolge soll allein die staatliche Zentralbank das Geld produzieren, und zwar am besten mittels zinsloser Kredite oder in Form von Geld-Geschenken an den Staat.“
Diese Aussage ist nicht haltbar, denn das Vollgeld ist ein dem Kapitalismus innewohnendes Grundprinzip. Bei der Vollgeldinitiative geht es nicht um die Art des Geldes – die Gold, Silber oder Papier sein kann – sondern um das längst überfällige Ende der Geldschöpfung aus dem Nichts im Bankensystem. Bei dieser handelt es sich um staatlich privilegierten Betrug und Diebstahl.
Ein Blick in die Geschichte hilft beim Verständnis. Schon im Mittelalter begannen die Banken mehr Kredite in Form von Banknoten zu verleihen, als sie Reserven in Form von Gold in ihren Tresoren hielten. Durch die vielfache Verleihung von angelegten Geldern war es ihnen möglich, ihre Zinseinnahmen zu vervielfachen. Dieses Vorgehen ist einerseits clever, denn solange die Forderungen nicht eingelöst werden und stets genügend Goldmünzen im Tresor vorrätig waren (Mindestreserve), solange flog der Betrug nicht auf. Andererseits ist dieses Vorgehen kriminell, denn die verbriefte Übertragung des Eigentums an einer Sache (beispielsweise einer Unze Gold) an mehrere Personen gleichzeitig, erfüllt den Straftatbestand des Betrugs. Genauso wenig könnte man ja auch Kopien eines Fahrzeugbriefs als Sicherheit für mehrere Kredite hinterlegen, ohne sich strafbar zu machen. Oder noch ein weiteres anschauliches Beispiel: Stellen Sie sich vor, ein Edelmetallhändler Ihres Vertrauens würde Ihre dort hinterlegten Münzen einfach verkaufen und das nicht nur einmal, sondern als Forderung viele Male. Genau dieser kriminelle Vorgang geschieht seit Jahrhunderten bei dem Prozess der Geldschöpfung im Bankensystem. Monarchen begannen im Mittelalter von dem Geldbetrug zu profitieren und wurden an der Beute beteiligt. Das führte dazu, dass kreditgelderzeugende Banken von den Staaten ein einmaliges Privileg für diesen Betrug erhielten. Dies bezeichnet man heute euphemistisch als „Geldschöpfung im Bankensystem“. Seither existiert das Bankensystem in einer Symbiose mit Staaten – und das alles auf Kosten der Bevölkerung.
Vollgeld ist folglich nichts Exotisches, sondern Normalität in Staaten, in denen Eigentumsrechte konsequent geschützt und Betrug verfolgt wird. Vollgeld wäre daher der Normalzustand in jedem libertären Utopia.
Schädliche Folgen der Geldschöpfung aus dem Nichts
Thorsten Polleit behauptet in seinem Artikel auch, dass das Vollgeld „nicht (…) die gefürchteten Finanz- und Wirtschaftskrisen“ verhindern könne, da auch Notenbanken die Geldmenge ausweiten würden.
Diese Behauptung lässt die Konjunkturtheorie der Österreichischen Schule völlig außen vor. Ludwig von Mises hatte diese bereits in ihren Grundzügen ausgearbeitet und Friedrich August von Hayek erhielt für die Komplettierung dieser Theorie 1974 sogar den Nobelpreis. Nach dieser Theorie sorgt die künstliche Ausweitung der Geldmenge im Bankensystem für einen konjunkturellen Aufschwung, der sich selbst nährt. Anstatt das steigende Zinsen in einem kapitalistischen Vollgeldsystem eine Fehlallokation von Kapitalgütern verhindern, sorgt die betrügerische Ausweitung der Geldmenge im privilegierten Bankensystem dafür, dass die Geldmenge ohne steigende Zinsen ausgeweitet werden kann. Dieser Prozess kann viele Jahre andauern bis die ersten Fehlallokationen von Kapital zu Unternehmenspleiten und Kreditausfällen führen, die den Boom letztlich beenden. Der Wirtschaftsabschwung (Bust) folgt und Anleger versuchen ihre Gelder von den Banken abzuheben, wobei der Betrug der Reservehaltung auffliegt und viele Banken Pleite gehen. Rezession, Arbeitslosigkeit, leerstehende Fabriken, verlorenes Real- und Humankapital sorgen für eine ungeheure Armut und einen gigantischen Nettowohlfahrtsverlust, der die wirtschaftliche sowie gesellschaftliche Entwicklung nicht nur bremst, sondern um viele Jahre zurückwirft.
Folgender Chart zeigt die Aufschwünge und die Rezessionen in den USA seit dem Jahr 1855. Man sieht deutlich die Aufschwünge (weiße Flächen) und die Rezessionen (blaue Flächen), die sich ständig gegenseitig immer wieder ablösen. Der Goldstandard kann dabei nicht für Stabilität sorgen, wenn die Banken das Privileg der Geldschöpfung zum eigenen Vorteil nutzen und so letztlich immer wieder Wirtschaftskrisen verursachen.
Durch die Geldschöpfung im Bankensystem entstehen Rezessionen.
© Blaschzok Financial Research
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