Wellenreiter-Kolumne vom 10. Februar 2018... Viele Fondsmanager sind der Meinung, dass die aktuelle Korrektur am Aktienmarkt „ideale Einstiegschancen bietet“. Mehrere solcher Pressemeldungen flatterten in meinen E-Mail-Briefkasten. Wir erinnern uns und sollten nicht vergessen, dass die Marktteilnehmer in den USA im Januar auf einem hohen, in dieser Art ganz selten dagewesenen Sentiment-Extrem notierten. Auch war die Stimmung auf der Fonds-Messe in Mannheim, auf der Kapitalanlegertagung in Zürich oder auch auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos exzellent, so gut wie selten zuvor. Ein erfolgreicher deutscher Fondsmanager rief sogar einen Strategiewechsel von Value zu Growth aus, nachdem er jahrelang mit seinem Value-Ansatz erfolgreich war.
Wer nach vorauslaufenden Indikatoren für die Wirtschaftsentwicklung sucht, wird schnell an den Aktienmärkten fündig. Der S&P 500 kann das ganz gut. Noch ist die Korrektur zeitlich und preislich zu gering, um eine Abwärtsbewegung in der US-Wirtschaft anzuzeigen. Sollten die Märkte jetzt bouncen, wäre ein Schaden allenfalls oberflächlich da und könnte ausgebügelt werden. Je länger und tiefer eine Korrektur läuft, desto mehr würde sich eine Schwäche des Finanzsystems auch auf die Realwirtschaft auswirken.
Ein kleiner Tanz entsteht zwischen Aktien und Renditen: An Tagen, an denen die Aktienmärkte klar fallen, steigen die Renditen nicht oder kaum. Würde der S&P 500 weiter deutlich rückläufig sein, dürfte es für die Rendite 10jähriger US-Anleihen schwierig werden, die 3-Prozent-Marke zu erreichen. Eine Erholung im S&P 500 würde die Rendite hingegen schnell auf die 3-Prozent-Marke steigen lassen, was wiederum negative Auswirkungen auf den S&P 500 hätte. So gesehen erscheint klar, warum sich eine Erholung im S&P 500 quasi selbst in den Finger schneidet und so schlussendlich ein volatiles, ehr seitwärts/abwärts gerichtetes Aktienmarktumfeld die Folge ist.
In den vergangenen Jahren lag häufig ein sogenanntes „reflationäres Umfeld“ vor. Die Fed und andere Zentralbanken pumpten in den QE-Phasen Geld in den Finanzkreislauf, um deflationäre Phasen zu verhindern. Sie erreichten damit einen Anstieg der Renditen (=fallende Anleihen) und bliesen die Aktienmärkte auf.
Jetzt kämpft die Fed nicht mehr gegen Deflation, sondern setzt sich gegen Inflation zur Wehr. Mit der Schrumpfung der Fed-Bilanz und einem intakten Zinserhöhungspfad strafft die US-Zentralbank ihre Geldpolitik. Beide Aktionen entziehen dem Markt Kapital beziehungsweise machen es teurer. Der Entzug von Kapital wird weder von den Aktien- noch den Anleihemärkten goutiert.
Doch wohin geht’s mit dem Aktienmarkt? Eine 10-Prozent-Korrektur im S&P 500 ist bereits erfolgt. Der 200-Tage-Linie notiert bei 2.540 Punkten, sie wurde am Freitag erreicht.
Abseits aller Weltuntergangsszenarien sollte als größter anzunehmender Unfall ein Rücklauf zurück auf das Hoch des Jahres 2015 gelten (2.130 Punkte). In einem solchen Fall reden wir über eine 25-Prozent-Korrektur.
Dies würde per Definition einen Bärenmarkt bedeuten. Allerdings existieren Beispiele aus den vergangenen Jahrzehnten, wonach eine solche Abwärtsbewegung recht schnell in einen erneuten Bullenmarkt überging. Zudem gilt es zu bedenken, dass bereits zehn Prozent des Weges abgearbeitet worden sind. Die restliche Stecke wäre zwar kein Pappenstiel, aber im Vergleich zu 2002/03 und 2008/09 moderat.
Es sind die 1950er Jahre, die zu einem Vergleich reizen. Der Grund sind die Parallelitäten im Zinsverlauf. Ähnlich wie jetzt kam es in den 1950er Jahren zu einer Zinswende. In den Jahren 1953 bis 1955 stieg der Dow Jones Index ähnlich wie in den Jahren 2016 und 2017. Die Anstiegsphase ging damals in eine volatile, mehr als zwei Jahre dauernde Seitwärtsphase über, die im Herbst 1957 durch eine 22-Prozent-Korrektur beendet wurde.
Würden die Märkte dem Entwicklungspfad der 1950er Jahre weiter folgen, würde der aktuelle Einschlag den Übergang von der zuletzt parabolischen Anstiegsphase zur volatilen Seitwärtsphase darstellen, zunächst sogar noch mit Aufwärtspotential. Die Jahre 2018 und 2019 wären damit Jahre, in denen es kaum vorangehen würde. Erst ab Mitte 2020 würde sich der Aufwärtstrend fortsetzen.
Auf Sicht der kommenden Wochen hätte der S&P 500 die Chance, das Hoch vom 26. Januar zu erreichen. Danach würde es einen erneuten, nicht ganz so starken Rücksetzer geben. Schließlich würde zur Jahresmitte ein neues Hoch markiert werden. Naheliegend und zum Ablauf der 1950er-Jahre passend würde die 3.000-Punkte-Marke im S&P 500 angelaufen werden. Damit wäre das obere Ende des Trendkanals erreicht.
Dies ist nur einer von vielen Wegen, die sich ergeben könnten. Es wird sicherlich nicht exakt so ablaufen. Aber das übergeordnete Bild einer parabolischen Phase, die in Ver-bindung mit einem Sentiment-Extrem in eine volatile Seitwärtsphase übergeht, erscheint plausibel. Die Alternative wäre eine größere Abwärtsbewegung, also ein Bärenmarkt, der die 20-Prozent-Grenze deutlich nach unten brechen würde und die 40 bis 50-Prozent-Region hineinreichen würde. Allerdings sind in Märkten mit steigenden Zinsen eher Seitwärts-/Abwärtskorrekturen im Bereich von maximal 20 bis 25 Prozent üblich.
Kurzfristig liegen einige positive Divergenzen vor, die uns annehmen lassen, dass der S&P 500 nochmals einen Versuch nach oben starten wird. Dazu gehören hohe Angstwerte in der Put-Call-Ratio vom Freitag, das Erreichen eines ersten wichtigen Ziels (200-Tage-Linie S&P 500), ein niedrigeres Niveau im VIX und ein relative Stärke zeigender McClellan-Oszillator.
Auch der Kurs-DAX erreichte bei 5.680 Punkten ein wichtiges Niveau.
Wir präferieren das Szenario eines Übergangs von einer parabolischen Anstiegs- in eine volatile Seitwärtsphase im Rahmen eines spätzyklischen Bullenmarktes (siehe Beispiel 1950er Jahre). Einen „idealen Einstieg“, wie es einige Fonds-Manager annehmen, offeriert der jetzige Zeitpunkt nicht mehr. Unser Maximalziel, die 3.000-Punkte-Marke im S&P 500, ist allerdings noch etwa 15 Prozent entfernt.
Den Fondsmanagern bietet sich eine späte Möglichkeit zu einer Ergebnisverbesserung. Ein letztes Luftholen dürfte demnach angesagt sein, bevor ein Seitwärts-/Abwärtsmarkt die Regie übernimmt.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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Quelle: Wellenreiter-invest.de