In den letzten Wochen erschienen einige "Peak-Artikel" von mir, in denen ich untersucht und dargestellt habe, in welchen Jahren aus heutiger Sicht die Edelmetalle ihren Förderhochpunkt sehen werden. Aus Sicht eines Investors ist es wichtig zu verstehen, welche Implikationen diese Peaks mit sich bringen werden.
In diesem Artikel möchte ich untersuchen, wie Angebot, Nachfrage und die zukünftige Förderkurve von Palladium aussehen bzw. nach heutigem besten Wissen aussehen könnten.
1. Das Angebot
Wie bei Platin, so stellen Südafrika und Russland auch für Palladium die Hauptförderländer dar. Während Platin (Pt) im Jahr 2016 zu 82,8 Prozent aus diesen beiden Ländern stammte, ist der Prozentsatz bei Palladium (Pd) mit 72,9 Prozent etwas geringer. Mit knapp sieben Mio. Unzen (= 218 t) lag 2016 die Minenförderung bei Pd etwas höher wie bei Pt mit sechs Mio. Unzen (entspricht 187 t).
Abb. 1: Aufteilung der Pd-Förderung von 2016 nach Ländern (Datenquelle: [1], eigene Darstellung)
Zusammen mit dem Recycling, welches bei Palladium einen sehr großen Prozentsatz des Gesamtangebotes darstellt, standen in 2016 9,4 Mio. Unzen Palladium dem Markt als Angebot zur Verfügung (entspricht 292 t).
Abb. 2: Quellen des Palladiumangebotes 1976 - 2016 (Schätzwert für 2017)
(Bildquelle: CPM Platinum Group Metals Yearbook 2017 [1]).
Abbildung 2 zeigt, dass im Gegensatz zu Platin die Förderkurve für Palladium noch keinen dedizierten "Peak-Punkt" aufweist, sondern sich seit 2004 auf einem mehr oder minder konstanten Plateau um sieben Mio. Unzen befindet (hellblauer, lila und grüner Anteil der Balken in Abb. 2). Der monatelange Bergarbeiter-Streik in Südafrika im Jahr 2014 war für die Pd-Förderung anschaulich nicht so dramatisch, wie für die Förderung von Pt. Der Rückgang der Förderleistung von Südafrika und Russland konnte durch die Ausweitung der anderen Förderländer ("Other Mine Produktion" grüne Balken) ausgeglichen werden.
Durch eine Ausweitung des Recyclings (brauner Anteil der Balken) auf zuletzt ca. 2,5 Mio. Unzen (= 78 t, d. h. mehr als 1/3 der jährlichen Minenförderung), konnte die Gesamtmenge des verfügbaren Pd sogar gesteigert werden. Größter Förderer von Pd ist Russland (37,0%), gefolgt von Südafrika (35,9%), Kanada (9,8%) und den USA (6,2%), siehe Abbildung 1. Die vier größten Förderländer vereinen also knapp 90% der Weltförderung auf sich. Weitere Förderländer sind Simbabwe, Botswana, China, Australien, Finnland und Serbien & Montenegro.
Die jährlichen Fördermengen der genannten vier größten Förderländer sind in Abbildung 3 dargestellt.
Abb. 3: Palladiumförderung von Russland, Südafrika, Kanada und USA 1976 bis heute
(Datenquelle: [1], eigene Darstellung).
Die Förderkurve von Russland bildet leider erst ab 2003 die Minenförderung ab. Die früheren Daten entsprechen den Exportzahlen der jeweiligen Jahre, die natürlich nicht zwangsläufig mit den Förderdaten übereinstimmen müssen. Das bisherige Peak Palladium Jahr für Russland war 2004 mit 3,2 Millionen Unzen (knapp 100 Tonnen) und fiel bis 2016 auf 2,536 Mio. Uz. ab (79 Tonnen), d. h. -21 Prozent.
Südafrika (magenta gezeichnete Kurve) konnte seine Förderung seit den 1970er Jahren vervierfachen, und zwar von 0,7 auf 2,8 Mio. Unzen im bisherigen Peak Jahr 2006. Dieses Jahr war auch für Platin das Peak Jahr in Südafrika. Seit einer Dekade bewegt sich die Förderung nun um die 2,5 Mio. Uz = 78 t. Vom Peak in 2006 fiel die Förderung in 2016 um -13 Prozent.
Für die kanadische Förderkurve (grüne Kurve) ist noch keine Sättigungstendenz zu erkennen. Die bisherige höchste Förderrate war im Jahr 2014 und betrug 0,75 Mio. Unzen, was 23 Tonnen entspricht. In 2016 fiel die Förderung auf 0,67 Mio. Unzen, woraus man aber nicht ableiten könnte oder sollte, dass 2014 das Peak Jahr in Kanada war.
Die Förderung in den USA (hellblaue Kurve) bewegt sich seit Anfang der 2000er Jahre stabil auf einem Niveau um die 0,425 Mio. Unzen = 13 Tonnen.
Die beiden größten Förderländer Russland und Südafrika zeigen demnach genau wie bei Platin Sättigungstendenzen in ihren Förderkurven auf, die bisher jedoch von einer steigenden Recyclingrate ausgeglichen und sogar überkompensiert werden konnten. Wie sehr sich in den letzten Jahren die Hauptquelle des Recyclings gewandelt hat, zeigt die folgende Abbildung 4.
Abb. 4: Quellen des recycelten Palladiums 1995 und 2016 (Bildquelle: [1])
In 2016 waren die Hauptquelle des Recyclings Autokatalysatoren von Benzinfahrzeugen mit 83 Prozent (= 64 t). Elektronikschrott folgte mit 16 Prozent (= 12 t) und Schmuck mit 1 Prozent (= 0,8 t). Vor 20 Jahren, im Jahr 1995, kam der überwiegende Teil des recycelten Palladiums noch aus Elektronikschrotten (91 Prozent).
Die folgende Abbildung 5 stellt die Entwicklung des Prozentsatzes des recyceltem Palladiums am Gesamtangebot dar.
Seit ca. 2011 stellt das Recycling ungefähr 25 Prozent des gesamten Angebotes von Palladium dar. Zum Vergleich: Bei Platin kamen 2016 17,0 % des Angebotes aus dem Recycling [1], bei Silber 13,9 % [5]. Dies bedeutet: Je stärker ein Markt schon heute vom Recycling abhängig ist, desto stärker sollten die Auswirkungen sein, wenn die Förderung ihr Peak erreicht hat und anschließend die Rate fällt. Sinkt die Menge an Primärmaterial aus der Förderung, sinkt zeitverzögert nach dem Ende der Produktlebenszyklen der Wirtschaftsgüter logischerweise auch die Menge, die aus dem Recycling dem Wirtschaftskreislauf wieder zur Verfügung gestellt werden kann.
2.) Die Nachfrage
Palladium wird zum größten Teil in der Automobilindustrie für Abgaskatalysatoren in Benzinfahrzeugen verwendet. Von 9,4 Millionen nachgefragten Unzen gingen in 2016 alleine 6,3 Mio. in diese Industrie bzw. Anwendung, d. h. 2/3 des gesamten Angebotes. Für elektronische Anwendungen wurden 13,3 Prozent des Palladiums verbraucht (1,24 Mio. Unzen), im Dentalbereich 7,8 Prozent (0,7 Mio. Unzen), Schmuck 4,8 Prozent (0,45 Mio. Unzen), Chemie/Ölrafinerie 5,2 Prozent (0,49 Mio. Unzen) und weitere Anwendungen 2,1 Prozent (0,2 Mio. Unzen).
Abb. 6: Entwicklung und Anteil der Palladium-Nachfrage von 1976 - heute (Bildquelle: [1]).
Aus den Abbildungen 2 und 6 saldiert, ergibt sich für die Relation Angebot zu Nachfrage die folgende Entwicklung für Palladium.
Abb. 7: Überangebot und Defizit im Palladiummarkt von 1976 - heute (Bildquelle: [1]).
Nachdem Russland bzw. der Ostblock gegen Ende der 1990er Jahre wirtschaftlich zusammenbrach, brach auch der Export von Palladium aus Russland ein (vergleiche Abbildungen 2 und 3). Lagen die russischen Exporte 1996 noch bei 123 Tonnen Pd, fielen Sie in den folgenden Jahren bis auf 53 t ab, d. h. um -57 Prozent. Wie Abb. 7 zeigt, rutschte der gesamte Markt dadurch in ein starkes Angebotsdefizit von jährlich - 50 t (1,5 Mio. Uz.) für die Jahre 1998, 1999 und 2000. Dieser starke Förderabfall des wichtigsten Pd-Förderlandes führte in der Folge zu einer Verzehnfachung des Palladiumpreises von 100 auf ca. 1.000 Dollar je Unze.
Abb. 8: Langzeit Preischart von Palladium von 1976 - heute (Bildquelle: [1]).
Inflationsbereinigt entspricht das Hoch im Jahr 2000 bei ca. 1.000 Dollar je Unze 1.433 Dollar des Jahres 2017 [2].
Dieser geschichtliche Vorfall zeigt, wie explosionsartig sich die Preise im Rohstoffsektor entwickeln können, wenn die physische Nachfrage nicht mehr bedient werden kann. Dies kann auch folgerichtig als Blaupause für andere Edelmetall-Märkte stehen, in denen die heutige Nachfrage nicht primär aus der Industrie in physischer Form kommt, sondern zu Investitionszwecken in Papierform (noch) befriedigt werden kann. Wird sich die Nachfrage in diesen Märkten (sprich die monetären Metalle Gold und Silber) von Papier auf Physisch verschieben, muss der Preis auch hier steigen, wenn die Nachfrage durch die Förderung und das Recycling nicht mehr gedeckt werden kann.
3.) Mathematische Modellierung der globalen Förderdaten: Die Peak-Palladium Kurve
Das CPM Platinum Group Metals Yearbook, auf dem dieser Artikel beruht, gibt die jährlichen globalen Förderdaten für Palladium erst ab dem Jahr 1976 an. Um die Förderdaten von 1900 bis 1975 aus den Daten des U.S. Geological Survey ("USGS") [3] abzuschätzen, kann dieselbe Methode angewendet werden, wie bereits bei Platin gezeigt.
Vom U.S. Geological Survey sind die Förderdaten für alle sechs Metalle der Platingruppe (PGM) seit 1900 dokumentiert [3]. Vergleicht man diese Zahlen ab 1976 mit denen im CPM Yearbook veröffentlichten Zahlen [1], so erhält man einen gemittelten Prozentsatz von 41,7 Prozent, den die Pd-Förderung an der gesamten PGM-Förderung ausmacht (d. h. etwas höher als Platin). Platin und Palladium machen demnach zusammen rund 82 Prozent der Förderung aller PGM-Metalle aus.
Die zuvor gezeigte Hubbert-Linearisierung ergibt für die so gefundenen Förderdaten für Palladium das folgende Bild.
Abb. 9: Hubbert-Linearisierung der Palladium-Förderkurve seit 1900
(Datenquellen: [1] und [3], eigene Berechnungen und eigene Darstellung)
Die gesamte förderbare Menge Q∞ an Palladium läßt sich nach aktuellem Stand mit 16.000 t angeben, wovon derzeit knapp 10.000 t bereits gefördert wurde. Im Vergleich: Für Platin lieferte die Hubbert-Linearisierung einen Wert für Q∞ von ungefähr 14.000 t, wovon bereits 9.500 t gefördert wurden. Bei beiden Metallen wäre demnach rein geometrisch davon auszugehen, dass der Peak der Förderung bereits erreicht sein sollte, da bereits mehr als 50 Prozent der zu erwartenden Gesamtfördermenge tatsächlich in der Geschichte gefördert wurde.
Mit dem Wert für Q∞ von 16.000 t läßt sich folgendes Hubbert-Modell errechnen.
Abb. 10: Globale Förderung von Palladium mit mathematischer Modellierung nach Hubbert
(Datenquellen: [1] und [3], eigene Berechnungen und eigene Darstellung)
Gemäß dem Modell könnte die Förderung von Palladium nochmal bis ca. 250 Tonnen pro Jahr ansteigen. Das modellierte Peak-Palladium Jahr ist 2020 und liegt damit nur zwei Jahre nach dem modellierten Peak-Platin Jahr (2018). Die hier gezeigte Kurve bestätigt die bereits gezeigten Ergebnisse aus einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2012 (H.U. Sverdrup et. al. [4]).
Abb. 11: Hubbert-Kurve für die sechs Platinmetalle (Bildquelle: [4]).
Sowohl das Peak-Jahr Anfang der 2020er Jahre, wie auch das Fördermaximum (250 Tonnen p.a.; 600 t * 0,417 = 250) stimmen demnach exakt mit dem Modell von Abbildung 10 überein.
4.) Ergebnisse und Fazit
Platin und Palladium werden früher "peaken" als Gold und Silber, und könnten daher für Investoren eine Blaupause für die Entwicklung der Preise nach dem Förderpeak darstellen. Welche Entwicklungen möglich sind, zeigte Palladium bereits Ende der 1990er Jahre, als sich der Preis aufgrund des russischen Angebotsdefizites in kurzer Zeit verzehnfachte. Da Russland in der Folge wieder alte Förderquoten erreichen konnte, "beruhigte" sich der Preis auch wieder. Was geschieht, wenn abzusehen ist, dass aufgrund geologischer Limitierungen die alten Förderraten nie wieder erreicht werden können, wird uns die Zukunft zeigen.
Ein aktuelles Beispiel ist in diesem Zusammenhang auch der Uran-Markt. Nachdem Cameco (größter privater Uranförderer) bekanntgab, seine McArthur River Mine (die 10 Prozent der globalen Fördermenge repräsentiert) Anfang 2018 stillzulegen, stieg der Uran-Spotpreis sprunghaft an. Ein Kernkraftwerk kann seine Brennstäbe nicht über ein Zertifikat an der Comex füllen.
Abb. 12: Jahreschart Uranpreis (Bildquelle: finanzen.net)
Übersteigt die physische Nachfrage das physische Angebot, steigen die Preise. Dies wird auch bei Gold und Silber der Fall sein, wenn die Nachfrage sich mehr und mehr in die physische Nachfrage verschieben wird. Vielleicht ist der aktuelle Anstieg des Palladiumpreises (in 2017 derzeit +33 Prozent in Euro gerechnet) ja bereits ein Vorbote des Peak-Palladium-Effektes.
Die hohe Abhängigkeit von Platin und Palladium vom Recycling wird sich nach dem Förderpeak ins Gegenteil verkehren: Weniger neues Material bedeutet zeitverzögert weniger Recycling und damit tendenziell stärker Angebotsdefizite.
So sinnvoll es kurzfristig ist, Edelmetalle zu besitzen, so überaus sinnvoll ist es - geologisch gesehen - auch langfristig. Speziell Silber, Platin und Palladium als "Industriemetalle" (d.h. realer physischer Nachfrage) werden nach deren Förder-Peak im Wert stark steigen. Palladium hat dies wie aktuell Uran bereits gezeigt.
Dr. Jürgen Müller
© Dr. Jürgen Müller
Einkaufsgemeinschaft für Sachwerte GmbH
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